Handprotektoren

Eigentlich bin ich ja ein typischer "3 bis 11 Saisonkennzeichenfahrer". Aber auch in dieser Zeit kommen immer wieder recht kühle Temperaturen vor - sei es im Frühjahr oder im Herbst oder einfach nur bei Passfahrten in den Alpen. Was mich dabei immer wieder stört sind kalte Finger.

Nun wäre eine einfache Lösung dieses Problems der Kauf von guten Winterhandschuhen - doch wer mich kennt weiß, das solche einfache Lösungen für mich nicht in Frage kommen. Ich fahre gerne mit leichten Sommerhandschuhen - einfach weil sie bequemer sind - doch bei kalter Witterung werden die Finger außen vom Fahrtwind kalt und an der Innenseite von der Griffheizung gegrillt.

Also lag der Gedanke nach so genannten Handprotektoren nahe. Leicht und schnell abnehmbar sollten sie sein, halbwegs akzeptabel aussehen und wenn's geht auch noch bezahlbar.

Nach einigem Suchen im Internet fand ich neben verschiedenen schwarzen Universal-Plastik Protektoren (Marke "Ich motze meine 125er Enduro auf") nur ein speziell für den Cruiser gefertigtes Produkt:

Die R1200C HandGards von Aeroflow.

Bild Copyright Diane http://www.tourendiane.com Bild Copyright Diane http://www.tourendiane.com

Der Preis ist mit $99.95 plus Versand (+ evtl. Zoll) zwar sicher kein Schnäppchen - aber durchaus im Rahmen. Leider ist jedoch die Befestigung mit einer Art Klettpads ("Dual Lock" genannt) oben am Bremsflüssigkeitsbehälter und unten an der Armatur nicht sehr ästhetisch - insbesondere weil die relativ großen  Klettpads auch bei abgenommenem Handprotektor an der Armatur verbleiben (ich bin gerade erst zu Chromdeckeln gekommen - die papp ich dann doch nicht mit so einem Zeug zu).

Es blieb also nur die "Eigenbaulösung"

Die Idee

Die Optik der Aeroflow Protektoren finde ich gar nicht schlecht - wenn schon Protektoren dann wenigstens in klar und möglichst unauffällig. Die Halterung hingegen war nicht so mein Fall.

Also musste eine vernünftige Halterung her und eine Möglichkeit, durchsichtige Handprotektoren herzustellen. Als Material für die Halterung habe ich mich für Aluminium entschieden - poliert ergibt das einfach eine sehr ansprechende Optik. Und für die Handprotektoren kam nur Acrylglas (Plexiglas) in Frage.

Zudem sollten die Protektoren so angebracht sein, dass sie im "Un-Fall" nach vorne wegklappen können und so die Hände nicht festhalten.

Die Realisierung - die Halter

Die Halter habe ich aus 15mm*4mm Aluschienen gefertigt. Auf eine Länge von 19cm abgeschnitten, die Enden abgerundet, 3 Löcher (einmal 8mm,  zweimal 6mm) gebohrt und dann poliert. Nach ca. 6 cm wird die Schiene um ca. 80 Grad abgewinkelt und das "kürzere" Teil dann noch um fast 80 Grad gedreht (das ganze mehr nach Augen - denn nach Winkelmass).

Am Schluss sollte das Ganze wie folgt aussehen (der andere Halter natürlich spiegelbildlich):

Die Schelle zur Befestigung am Lenker habe ich aus 20mm*3mm Aluminium selbst gefertigt (10,8cm Lang, zwei Bohrungen mit 8mm im Abstand von 8,8mm - Maße für den 28mm Avantgard Lenker).

Natürlich kann man auch z.B. die Schelle von Louis (Bestellnummer 10 034877, je 4,95 €) verwenden.

Die Realisierung - die Handprotektoren

Da ich bisher keine Erfahrung mit der Verarbeitung von Plexiglas hatte war ich mir Anfangs nicht sicher, wie die Protektoren am besten hergestellt werden können. So habe ich im Branchenbuch unter "Acrylglas" einen entsprechenden Betrieb gesucht, bin hin gefahren und habe mir ein paar Reste gekauft.

Für die Versuche standen mir  ein Acrylglasrohr (Handelsbezeichnung Plexiglas) mit ca. 18 cm Durchmesser (Wandstärke 4 mm) und mehrere ca. 30cm * 60cm große Stücke Makrolon (Polycarbonat, Wandstärke 5mm) zur Verfügung.

Acrylglasrohr, hier nach dem allerersten Versuch um festzustellen, ob sich das Zeug überhaupt scheiden lässt Makrolon Platte, mit aufgezeichneter "Rohform"
Produktinfo: Acrylglas (PMMA)
bekannter unter der Handelsbezeichnung Plexiglas®, ist in einer Vielzahl transparenten, deckenden und fluoreszierenden Farben erhältlich, wird jedoch in klarer Ausführung am häufigsten verwendet. PMMA zählt zu den ältesten Thermoplasten. Acrylglas ist stabil, zäh und UV-beständig, was sowohl für die gegossene wie auch für die extrudierte Ausführung gilt.
Produktinfo: Polycarbonat (PC)
bekannter unter der Handelsbezeichnung Makrolon und Lexan, ist ein transparenter, äußerst schlagzäher Thermoplast, und wird als Halbzeug in klarer Ausführung am häufigsten verwendet. Bemerkenswert ist - nebst den guten dielektrischen Eigenschaften - seine Verwendbarkeit bei tiefen und hohen Temperaturen (-90 bis +135°C). PC wird klartransparent hergestellt und bietet dabei das Höchstmass an Schlagzähigkeit aller transparenten Thermoplaste. PC kommt für Gleitfunktionen nicht in Frage.

Um es gleich vorneweg zu sagen - nach anfänglich recht Erfolg versprechenden Versuchen mit dem Biegen der Platten bin ich letztendlich davon doch abgekommen. Meine Erfahrungen hierbei stehen weiter unten - vielleicht hat jemand von euch mehr Erfolg damit.

Acrylglasrohr (Plexiglas)

Die letztendlich von mir gewählte Lösung wurde aus einem Plexiglasrohr geschnitten. Das hierfür verwendete Rohr hatte einen Außendurchmesser von 18cm, 4mm Wandstärke und eine Länge von 25cm.

Dieses Rohr wurde zuerst mit breitem Klebeband (Paketband) beklebt um es so vor Kratzern zu schützen und um beim Schneiden Risse zu verhindern. Danach wurde die  Form ähnlich zu der oben gezeigten Rohform aufgezeichnet.

Mit Hilfe einer Stichsäge (feines Holzsägeblatt, Einstellung ohne "pendeln") - Schutzbrille nicht vergessen !! - lässt sich die gewünschte Form in wenigen Minuten einfach ausscheiden. Dabei habe ich mit der Stichsäge erstmal fast nur gerade Schnitte gemacht.

Die Rundungen wurden danach mit einem Bandschleifer (ca. 100er Schleifpapier) entsprechend ausgeformt und die Kanten geglättet . Nachdem Plexiglas (bzw. auch Makrolon) relativ weich ist schafft man das ebenfalls in kurzer Zeit. Danach habe ich die Kanten noch mit feinem Schleifpapier  nachbearbeitet.

Zusätzlich kann man die Kanten auch noch mit einer Polierscheibe (aus einem der im Motorradzubehör angebotenen Poliersets, da die Gewebescheibe) nachpolieren. Mit etwas Geduld erreicht man so eine Kante, die z.B. der gekaufter Scheiben fast ebenbürtig ist.

Die für die Befestigung nötigen Löcher können einfach mit einem normalen Metallbohrer gebohrt werden. Wichtig ist hierbei, beide Seiten abzukleben um so ein splittern zu verhindern.

Der Anbau

Den Anbau habe ich wie im Bild dargestellt durchgeführt. Wichtig ist hierbei der unter der mittleren Schraube sichtbare U-förmige Halter. Diesen habe ich aus einem Stück Aluschiene passend gebogen und mit Schrumpfschlauch überzogen. Er sorgt dafür, dass der Protektor sich nicht nach oben oder unten bewegen lässt.

Kosten

Die Gesamtkosten für obige Konstruktion liegen bei etwa 30€ - 35 € (davon die 15€-20€ für das Plexiglasrohr -  wenn man hier ein Reststück bekommt wird es entsprechend billiger).

Die Bauzeit liegt (wenn man weiß, wie es geht) bei ca. 2,5 - 3 Stunden (ca. 1 Stunde für den Protektor, ca. 1 Stunde für den Halter und etwas Zeit für das Polieren)

Wirkung

Die ersten Fahrversuche waren sehr viel versprechend. Der Fahrtwind an den Händen ist fast nicht mehr spürbar - so blieb bei Temperaturen um 4 Grad trotz ungefütterten Sommerhandschuhen die  Griffheizung meist auf Stufe 1, ohne dass sich dabei dieser "innen gegrillt, außen gefroren" Effekt einstellte.

Einen negativen Einfluss auf das Fahrverhalten habe ich nicht feststellen können - allerdings bin ich noch nicht schneller als 140 damit gefahren.

Der An- und Abbau beider Protektoren dauert ungefähr eine Minute - man kann sich also sehr kurzfristig entscheiden, ob man "mit" oder "ohne" fahren will.

Wie geht's weiter

Noch bin ich am herumbasteln um die optimale Größe der Handprotektoren zu finden. Zudem ist der U-förmige Halter noch "verbesseungsfähig" - bleibt also noch was zu tun in nächster Zeit.

Nachtrag: Meine endgültige Befestigung sieht wie folgt aus:

 

Für die Befestigung habe ich einen Gummipuffer zerteilt und in die oben gezeigte Form geschnitten. Den untere "Halter" habe ich aus einem ca. 6cm langem 20mm*2mm Alustreifen geformt - dieser wurde zum Schutz der Armatur mit einem Schrumpfschlauch überzogen.

 


Letztendlich verworfener Versuch:

Protektoren aus Plattenware

Nachdem Plattenware wesentlich billiger (und auch als Reststücke immer zu bekommen) ist und es sich auf der platten Flächen einfacher zeichnen und scheiden lässt habe ich auch mehrere Versuche damit unternommen. Ein weiterer Vorteil ist der Umstand, dass ich Rohre in Polycarbonat nicht bekommen konnte (diese hatte mein Händler nur in Acrylglas), das in Plattenware angebotene  Makrolon jedoch mir von seinen technischen Eigenschaften (Schlagzähigkeit) geeigneter erschien.

Die Verarbeitung geschieht analog zu dem bei Rohrware beschriebenen vorgehen - aufzeichnen, mit Hilfe einer Stichsäge (feines Holzblatt, Einstellung ohne "pendeln") - Schutzbrille nicht vergessen !! - ausschneiden, nacharbeiten der Kanten und Rundungen mit dem Bandschleifer (ca. 100er Schleifpapier), ggf. schleifen und polieren der Kanten.

 

Die aus der Makrolon Platte ausgeschnittenen Protektoren müssen natürlich dann noch in Form gebogen werden. Nach kurzem Studium im Internet war klar, dass Plexiglas bzw. Makrolon bei ca. 150-160 Grad verformt werden kann.

Also Backofen auf 160 Grad einstellen (Heißluftofen), vorheizen und dann los. Ich habe die Teile dabei seitlich auf kleine Holzleisten gelegt und gewartet .... und siehe da, nach ca. 15 Minuten bogen sich die angeheizten Platten der Schwerkraft folgend nach unten. Dies gilt übrigens sowohl für Acrylglas wie auch  Polycarbonat.

Also schnell Handschuhe anziehen und biegen. Das ganze muss sehr schnell gehen, da die Plexiglasplatten nach dem Herausnehmen aus dem Ofen nur für ca. 30 Sekunden verformbar bleiben.

Die größte Schwierigkeit war es, beide Protektoren "frei" in eine genügend "ähnliche" Form zu biegen. Nach zahlreichen Versuchen, bei denen die beiden  Protektoren zwar "ähnlicher" aber nie ganz gleich wurden beschloss ich, die Temperatur etwas zu erhöhen um so etwas mehr "Biegezeit" zu erreichen.

Erfolg: Die Feststellung, dass Makrolon zwar bei höheren Temperaturen  deutlich "weicher" und besser formbar wird - allerdings dann auch ab ca. 170 Grad (meines Backofens) anfängt im Material Luftbläschen zu bilden. Dieser Versuch war also gescheitert.

Als nächstes hatte ich mir aus Holz eine Form gebaut, über der ich die auf 160 Grad erwärmte Platte biegen wollte. Leider führten auch diese Versuche zu nichts, da das Makrolon nach dem herausnehmen aus dem Ofen  zu schnell abgekühlt ist um sich in die Form biegen zu lassen - und wenn man es zu kalt "mit Gewalt" in Form biegt entstehen feine Spannungsrisse, die optisch ähnlich schlecht aussehen wie die "Luftbläschen" wenn es zu heiß wird.

Bliebe also noch der Versuch, die Form im Backofen mit zu erhitzen und eine zweite Form, mit der man die Platte in die erste Form pressen kann (und das am besten im Backofen) ..... da war für mich der Punkt erreicht, an dem ich diese Versuche aufgegeben habe und meinen Backofen wieder für nützlichere Dingen verwende (z.B. Weihnachtsplätzchen).

Daher habe ich letztendlich beschlossen, meine Protektoren aus Plexiglasrohren herzustellen - bei diesen ist ein nachträgliches Biegen nicht nötig..