Einstellen der Ventile des BMW Cruisers

Das Original dieses Texts stammt von Pokie Midgley, er war damit einverstanden, dass ich seine Fotos verwende (was mir viel Arbeit erspart hat) und den Text ins Deutsche übersetzte. Es ist allerdings eine sehr freie Übersetzung geworden, bei der ich an einigen Stellen Teile ergänzt (aus meiner Erfahrung) bzw. gekürzt. Die Beschreibung ist so gehalten, dass die Arbeiten auch von jemand ohne viel Erfahrung durchgeführt werden können (so hoffe ich wenigstens), allerdings sollte man natürlich ein gewisses Interesse und Spaß am "Schrauben" mitbringen - ansonsten ist der Weg zum BMW Service sicher die bessere Entscheidung.

Ventile einstellen

Das Einstellen der Ventile am Cruiser ist im Vergleich zu anderen Motorrädern geradezu ein Vergnügen. Auch wenn es sehr technisch und kompliziert klingt, ist es etwas, was mit minimalem Werkzeug und Zeitaufwand (1 Stunde reicht vollauf) durchgeführt werden kann. Der Effekt kann jedoch enorm sein - korrekt eingestellte Ventile lassen den Cruiser deutlich runder laufen.

Ich empfehle den Cruiser zum Einstellen der Ventile auf den Montageständer zu stellen (es geht zwar prinzipiell auch auf dem Seitenständer, aber ...). Das Ventilspiel wird bei kaltem Motor (max. 35°C) eingestellt.

Zuerst wird die Plastikkappe, die das Zündkabel abdeckt, entfernt. Diese ist nur geklemmt und kann mit den Fingern herausgehebelt werden - anderes Werkzeug richtet hier eher Schaden an. Einfach mit der einen Hand die Kappe über der Zündkerze festhalten und gereichzeitig mit den Fingern der anderen Hand unter das seitliche Ende fahren und die Abdeckung zu sich ziehen .


Zum Abziehen des Zündkerzensteckers gibt es im Bordwerkzeug das Zündkerzenstecker-Montagewerkzeug. Hinter dieses hochtrabendem Namen verbirgt sich ein schwarzes Plastikteilchen, welches ein bisschen an den halbierten Verschluss einer Sektflasche erinnert. Diese wird am Zündkerzenstecker eingehakt, worauf man diesen dann  einfach abziehen kann. Falls Sie dieses Plastikteilchen nicht mehr haben, sollten Sie es beim BMW kaufen. Die andere Methode, den Zündkerzenstecker mit Hilfe einer oder mehrerer Zangen bzw. Montageeisen o.ä. abzuhebeln erwähne ich hier lieber nicht - es geht, ist aber Pfusch und birgt das Risiko, entweder den Zündkerzenstecker zu beschädigen oder den Ventildeckel zu zerkratzen.

Nachdem der Zündkerzenstecker entfernt ist, sollten Sie mit einer Taschenlampe zur Zündkerze hinunterleuchten. Falls Sie um diese herum Steinchen oder gröberen Schmutz sehen sollten Sie diesen entfernen. Am einfachsten geht das mit einem Kompressor und einer Pressluftpistole - einfach solange hinein blasen bis aller Schmutz heraus ist (Schutzbrille verwenden). Zusätzlich können Sie dann auch die Kühlrippen des Zylinders sauber blasen. Falls keinen Kompressor haben, müssen Sie zum Entfernen des Schmutzes und kleiner Steinchen einen entsprechend feinen Pinsel bzw. eine kleine Bürste verwenden.


Das Herausschrauben der Zündkerzen geht am einfachsten mit dem Zündkerzenschlüssel aus dem Bordwerkzeug. Von BMW gibt es hierfür auch ein Spezialwerkzeug (Nr.12 3 510), Vorteil dieses ist ein magnetischen Ring, der die Zündkerze festhält. Alternativ kann man auch eine entsprechende 15mm Zündkerzennuss und eine Verlängerung benutzen.

So, jetzt sind die Abdeckungen herunten, die Zündkerzenstecker weg und die Zündkerzen heraußen - jetzt können wir den Ventildeckel abnehmen.


Hierzu sollte man zuerst eine Tropfwanne unter dem Ventildeckel platzieren, da beim Abnehmen des Deckels etwas Öl ausläuft. Mit einem Torx - Schlüssel T40 werden nun die vier Schraubbolzen des Ventildeckels geöffnet. Diese müssen nicht ganz herausgenommen werden, sie sollten nur soweit aufgedreht werden, dass sie nicht mehr in das Gewinde greifen. Wenn Ihr Ventildeckel schon lange nicht mehr abgenommen wurde, "klebt" er vermutlich auch mit gelockerten Schraubbolzen noch fest. Normalerweise kann er mit den Händen abgedrückt werden, im schlimmsten Fall muss mit leichten Schlägen eines Gummihammers etwas nachgeholfen werden. Benutzen Sie jedoch auf keine Fall eine Schraubenzieher o.ä. um den Ventildeckel abzuhebeln, da Sie ansonsten diesen ziemlich sicher verkratzen.

Legen Sie die Ventildeckel auf einen sauberen Lappen um Beschädigungen des Chroms zu vermeiden. Häufig bleibt der Gummidichtring um den Zündkerzenkanal am Zylinderkopf zurück - stecken Sie diesen auf den Ventildeckel (siehe vorherige Abbildung). Der äußere Gummidichtung bleibt am Zylinderkopf.
Die nachfolgend beschriebene Methode die Ventile einzustellen stammt von Pokie Midgley, dem Autor des englischen Originaltextes. Prinzipiell mache ich es genauso, nur suche ich den OT mit Hilfe der Kontrollöffnung und ich stelle ich die Ventile mangels zweiter Fühllehre nacheinander ein. 

Zum Einstellen muss der Motor durchgedreht werden. Am einfachsten geschieht dies, indem das Motorrad am Montageständer steht, der 5 Gang eingelegt wird und das frei laufende Hinterrad per Hand gedreht wird (Achtung: nur nach vorne, also in normaler Motorlaufrichtung drehen!). Alternativ dazu besteht auch die Möglichkeit, die Hupe (der Stecker der Hupe hat eine kleine Verriegelung auf der Oberseite, die zum trennen niedergedrückt werden muss)  und den Frontdeckel (die große Plastikabdeckung vorn am Getriebe, befestigt mit 4 Schrauben) abzubauen. Dann kann der Motor an der Schraube der Riemenscheibe gedreht werden (nur in Uhrzeigerrichtung). 


Um die Ventile einzustellen muss der "Obere Todpunkt" (OT) an dem Zylinder, an dem Sie arbeiten, eingestellt werden. Fangen wir am linken Zylinder an. 

Drehen Sie den Motor solange (durch Drehen des Hinterrads, dies am besten durch eine zweite Person machen lassen) bis sich die Einlassventile (die hinteren Ventile) niedergedrückt werden und dann wieder hochkommen. Sobald sie wieder hoch kommen (also zu gehen) beginnt der Kompressionshub (bei dem alle Ventile an diesem Zylinder geschlossen sind). Leuchten Sie dann mit einer Taschenlampe durch das Zündkerzenloch - sie können nun den Kolben sehen. Drehen Sie den Motor langsam solange weiter, bis der Kolben seine höchste Stelle erreicht hat. Das ist der OT.

Alternativ kann der OT auch über die Markierung am Schwungrad gefunden werden. Hierzu entfernen Sie den kleinen, ca. eurogroßen Plastikstopfen am Gehäuse (hinter dem rechten Zylinder). Durch dieses Loch sehen Sie das Schwungrad, an diesem ist pro Zylinder eine OT Markierung angebracht (ein Strich und Buchstaben OT). Das Verschließen des Lochs mit dem Plastikstopfen erfordert allerdings etwas Geschick.


Sobald man den OT an diesem Zylinder eingestellt hat geht es weiter mit dem Einstellen der Ventile. Hierzu benötigt man:
  • 1 * 10mm Gabelschlüssel
  • 1 * 3mm Inbusschlüssel
  • 2 * Fühlerlehre 0,15 mm
  • 2 * Fühlerlehre 0,30 mm
  • 1 * Drehmomentschlüssel (8Nm) mit 10mm Nuss 

Bevor man sich an das Einstellen der Ventile macht sollte auch gleich noch das Axialspiel kontrolliert und ggf. korrigiert werden. Die Beschreibung für das Einstellen des Kipphebelaxialspiels findet sich hier.

Mein Vorschlag ist, zuerst die beiden Einlass- und dann die beiden Auslassventile jeweils zusammen einzustellen. Dies gewährleistet eine genaue und schnelle Ventileinstellung. Das Ventilspiel bei kaltem Motor (max. 35°C) beträgt:
  • Einlassventil  0,15mm
  • Auslassventil 0,30mm

Beginnen wir mit den Einlassventilen. Versuchen Sie, die 0,15mm Fühlerlehre zwischen Kipphebel und Ventil zu schieben. Heben Sie dazu den Kipphebel mit den Fingern leicht an, das Ventilspiel wird zwischen Ventilschaft und dem hutförmigem Teil gemessen (schlecht zu erklären, es gibt jedoch nur einen Spalt zwischen Ventil und Kipphebel wo Sie die Fühlerlehre dazwischen stecken können). Wenn Sie die 0,15mm Fühlerlehre nicht dazwischen bringen müssen Sie die Kontermutter lösen und die Ventileinstellschraube etwas herausdrehen. 


Ziel ist es diesen Spalt so einzustellen, dass die jeweilige Fühlerlehre "satt" darin steckt, also zum einen nicht von alleine heraus fällt, zum anderen sich aber noch ohne zu verbiegen verschieben lässt. 

Dies wird durch öffnen der Kontermutter und herein- bzw. herausdrehen der Einstellschraube erreicht. Stellen Sie diese an beiden Einlassventilen so ein, dass die 0,15mm Lehren "satt" darin klemmen. Stellen Sie die Einstellschrauben lieber eine Idee  zu fest ein - wenn Sie die Kontermuttern wieder festziehen wird das Ventilspiel minimal größer.  Ziehen Sie dann die Kontermuttern fest - das  Anziehdrehmoment beträgt 8 Nm. Prüfen Sie nochmals ob die Fühlerlehren satt sitzt. Wenn ja, sind die Einlassventile nun eingestellt.

Hier noch eine Ergänzung zum Festziehen der Kontermuttern: Da normale Drehmomentschlüssel meist mit einer Nuss verwendet werden, kann man bei diesen beim Festziehen nicht mehr mit dem Inbusschlüssel gegenhalten. Ohne das Gegenhalten kann es aber dazu kommen, dass die "Schraube" mitdreht und man das Gewinde ruiniert. Daher lieber mit einem "normalen" Ringschlüssel (und einem Inbus zum Gegenhalten) gefühlvoll mit ca. 8Nm festziehen und nur danach mit einem Drehmomentschlüssel nachkontrollieren.

Machen Sie das selbe (ohne den Motor weiter zu drehen) auch mit den Auslassventilen - bei diesen beträgt das Ventilspiel bei kaltem Motor 0,30 mm.

Wundern Sie sich bitte nicht, wenn sie ein paar Versuche benötigen, bis die Fühlerlehren nach dem Anziehen der Kontermuttern perfekt sitzen - das gehört dazu. 

Wenn Sie damit fertig sind kommt nun der andere Zylinder dran. Das Einstellen erfolgt natürlich analog. Zuerst den Oberen Totpunkt finden (dies ist ein anderer), dann Ventile einstellen.

Danach können Sie Ihren Cruiser wieder in umgekehrter Reihenfolge zusammenbauen. 

Laut BMW Reparaturanleitung müssen die Dichtungen des Ventildeckels fett- und ölfrei sein. Der Verfasser des amerikanischen Originals dieser Seiten, Pokie Midgley, empfiehlt an dieser Stelle, die Gummidichtungen des Ventildeckels leicht mit Öl zu benetzen damit dieser beim nächsten mal leichter wieder abgenommen werden kann. 

Vor dem Aufsetzen des Ventildeckels drücken Sie die Schrauben dieses ganz hinein. Sie können so zuerst die Schrauben in die dafür vorgesehenen Löcher bringen und dann erst den Ventildeckel ganz aufsetzten. Sie können natürlich auch zuerst den Ventildeckel aufsetzen, und dann versuchen die Schrauben mit Gefühl in Ihre Löcher zu bringen.

Ziehen Sie dann die Schraubbolzen gleichmäßig über kreuz an. Das Anziehdrehmoment dieser Schrauben beträgt 8 Nm, also recht wenig. 


Setzten Sie dann die Zündkerze wieder ein. Vorher sollten Sie diese (insbesondere das Gewinde) mit einer kleinen Bürste reinigen. Manche streichen auch etwas "Never-Seeze" (bzw. Graphit eines Bleistifts) auf das Gewinde der Zündkerzen - ich persönlich halte nichts davon. Die Zündkerzen werden mit 20Nm Anziehdrehmoment angezogen. Falls Sie die Zündkerzen mit dem Originalschlüssel des Bordwerkzeugs anziehen können Sie vermutlich das Drehmoment nur abschätzen.

Setzten Sie die Zündkerzenstecker und die Zündkabelabdeckung wieder auf. Ein bisschen Fett um den Zündkerzenstecker kann das Abziehen dieses beim nächsten Mal erleichtern. Bauen Sie alle vorher abgebauten Teile wieder an. Falls Sie den OT mit Hilfe der Kontrollöffnung gefunden haben müssen Sie noch den Plastikstopfen der Kontrollöffnung wieder einsetzten.

Jetzt noch eine Probefahrt - alles klar,  gut gemacht!

 


Original english text by Pokie Midgley
Copyright 2000-2002 
May not be copied without permission
German translation, interpretation and additional text and photos by Peter Kranz
Der englischsprachige Originaltext wurde von Pokie Midgley erstellt, Copyright 2000-2002 
Dieser Text darf ohne schriftliche Zustimmung nicht weiter veröffentlicht werden
Die deutsche Übersetzung sowie zusätzlicher Text und Photos wurde von Peter Kranz erstellt